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Die Güllener und das unmoralische Angebot der Milliardärin (hinten Mitte: Laura Küntzler): Wenn sie Alfred Ill (links Kai Kochanowski) töten, erhalten sie von ihr eine Milliarde zur Sanierung ihrer maroden Finanzen
Eitel Glück beim Empfang: Die Milliardärin Claire Zachanassian (im Rollstuhl Laura Küntzler) besucht ihren Heimatort Bad Güllen und bietet den verarmten Bürgern eine Milliarde für den Mord an ihrem Jugendfreund Alfred Ill (Kai Kochanowski – Mitte stehend)
Die Güllener und das unmoralische Angebot der Milliardärin (hinten Mitte: Laura Küntzler): Wenn sie Alfred Ill (links Kai Kochanowski) töten, erhalten sie von ihr eine Milliarde zur Sanierung ihrer maroden Finanzen
Eitel Glück beim Empfang: Die Milliardärin Claire Zachanassian (im Rollstuhl Laura Küntzler) besucht ihren Heimatort Bad Güllen und bietet den verarmten Bürgern eine Milliarde für den Mord an ihrem Jugendfreund Alfred Ill (Kai Kochanowski – Mitte stehend)
Die Güllener und das unmoralische Angebot der Milliardärin (hinten Mitte: Laura Küntzler): Wenn sie Alfred Ill (links Kai Kochanowski) töten, erhalten sie von ihr eine Milliarde zur Sanierung ihrer maroden Finanzen

Zwei Theateraufführungen werden Anfang März über die Aula des Jack-Steinberger-Gymnasiums gehen. Wie seit vielen Jahren in jedem Frühjahr, doch nicht ganz. Denn zum einen wird die diesjährige Produktion der Theatergruppe der Oberstufe am Jack-Steinberger-Gymnasium die Abschiedsproduktion der langjährigen Leiterin der Truppe, StD Gerhild Ahnert sein. Zum anderen wird ein Stück gespielt, das so sehr als ‚typisch Schultheater‘ verschrien war, dass sie es eigentlich nie aufführen wollte und froh war, wenn Schüler es ablehnten und stattdessen Shakespeare, Brecht, Horvàth, Frisch, Ayckbourn oder Molière wählten. Doch scheint Friedrich Dürrenmatts ‚Der Besuch der alten Dame‘ momentan derart den Zeitgeist widerzuspiegeln, dass nicht nur die 18 Mitglieder der Theatertruppe den Text einstimmig als ihr Projekt für das Schuljahr 2013/14 wählten, sondern auch die Staatstheater in Mannheim und Stuttgart und gar das wichtigste Wiener Musicaltheater mit Neuinszenierungen von Dürrenmatts Erfolgs-Tragikomödie aufwarten.

Seine Geschichte vom komplett heruntergekommenen ehemaligen Kulturstandort Güllen in der Schweiz der Wirtschaftswunderjahre musste allerdings erst mal nicht nur rauchentgiftet (Zigaretten, Zigarren, Zigarillos sind im Text allgegenwärtig), sondern auch ein wenig mehr in den Horizont der Betrachter im 21. Jahrhundert gerückt werden, denn viele politischen Anspielungen sind nicht mehr zu verstehen, viele Seitenhiebe auf die damaligen Schweizer Verhältnisse überholt. Da bot sich als eine der möglichen Folien (laut Dürrenmatt spielt sein Stück irgendwo in Mitteleuropa) Bad Kissingen mit seiner Post-Kur-Misere, seinen Leerständen und rückwärtsgewandten Lobliedern auf den ehemaligen Glanz an und Güllen würde zu Bad Güllen mit Klauswald, leer stehenden Gastronomiebetrieben und ziemlich leerer Stadtkasse.

Allerdings überanstrengt die Produktion diese Analogien nicht. Und so bleibt nur als ketzerischer kleiner Gedanke im Hintergrund: Wie wäre es denn, wenn hier eine Milliardärin mit Reichtum für alle aufwartete, die nur an die Bedingung gebunden ist, dass das Städtchen sich in das Rachekalkül jener durch clevere Heiraten superreich gewordenen ehemaligen Mitbürgerin und nachmaligen Prostituierten Kläri Wäscher, jetzt Claire Zachanassian, einspannen lässt? Der hoch angesehene Geschäftsmann Alfred Ill hatte sie in jungen Jahren geschwängert und skrupellos verraten, um sich bei der Erbin eines Kaufladens ins gemachte Nest zu setzen. Jetzt kehrt ‚das Kläri‘ als Rachegöttin zurück und verlangt von ihrer Heimatgemeinde die Ermordung Ills als Bedingung für den Geldsegen, mit dem sich alle sanieren könnten.

In den letzten vier Wochen hat die Theatertruppe mit liebevollen, aber anstrengenden bühnenbildnerischen Arbeiten ein idyllisches Bad Güllen auf die Bühne der Schule gezaubert, einen Kinderbuchhintergrund, vor dem sich die Tragödie des Alfred Ill mit jenem bitteren Sarkasmus entfalten kann, den Dürrenmatt in seinem Stück über den Sieg des Kapitals über die Moral an den Tag legt.

Aufgrund der Faschingsverpflichtungen vieler Spieler, der Teilnahme an der Südafrikafahrt des Jugendmusikcorps eines Hauptdarstellers und der Frühjahrsferien finden die beiden Aufführungen in diesem Jahr erst am Donnerstag, 13.3., und Freitag, 14.3., jeweils ab 19 Uhr in der Aula des Jack-Steinberger-Gymnasiums statt. Der Eintritt ist frei, doch bittet die Truppe gerade wegen des auch finanziell aufwändigen Bühnenbilds ihre Besucher um Spenden für die weitere Theaterarbeit an der Schule.