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„Der Kaukasische Kreidekreis“ von Bertolt Brecht

Als bekannt wurde, dass in Bad Kissingen ein Stück von Bertolt Brecht aufgeführt werden sollte, wurden wir – das W-Seminar „Bertolt Brecht“ von Frau Lehmann-Bachmann – hellhörig. Diese großartige Chance konnten wir uns doch nicht entgehen lassen. Wie gerne wollten wir uns einmal ein Bild von Brechts Theorie des epischen Theaters machen, von der wir schon so viel gehört hatten. Dank Frau Ahnerts Engagement kamen wir sogar in den Genuss von vergünstigten Schülerkarten.

Brecht-W-Seminar-2014Am Samstag, den 22.02.14, trafen wir uns also vor dem Kurtheater. Ein Großteil des Kurses hatte sich entschlossen, sich die Zeit zu nehmen und der Truppe des Euro-Studios Landgraf bei ihrer Inszenierung „Der kaukasische Kreidekreis“ zuzuschauen. Wir waren überrascht, wie viele Besucher sich vor dem Theater einfanden, da Brecht doch ein kontroverser Künstler war. Auch einen Teil der Deutschklasse der zehnten Jahrgangsstufe von Frau Völker trafen wir dort.

Beeindruckt ließen wir uns im prunkvollen Theatersaal auf unseren dunkelroten Sitzplätzen nieder und warteten gespannt darauf, dass das Stück anfing.

Gleich zu Beginn des Stücks überschlagen sich die Ereignisse. Bürgerkrieg bricht aus, der Großfürst wird gestürzt, sein Gouverneur hingerichtet. Dann, Lichtblick: Inmitten des Chaos hält der Soldat Simon erfolgreich um die Hand der Magd Grusche an. Allerdings muss er zunächst in den Krieg ziehen und auch Grusche muss aus dem Palast des Gouverneurs verschwinden. Auf der Flucht nimmt sie Michel, das von der Witwe des Gouverneurs zurückgelassene Kind, an sich. Seine egoistische Mutter hat sich auf der Flucht mehr um die Auswahl ihrer Kleider als um ihren Sohn gekümmert. Obwohl dies für Grusche eine zusätzliche Gefahr und Belastung bedeutet, bringt sie es nicht übers Herz, es ebenfalls im Palast zurückzulassen. Verfolgt von aufständischen Panzerreitern erreicht sie unter vielen Strapazen und Gefahren die Berge, wo sie völlig erschöpft mit dem Kind Unterschlupf bei ihrem Bruder Lavrenti sucht. Dieser organisiert, aufgrund des Geredes über das „uneheliche Kind“ Michel, Grusches Heirat mit dem vermeintlich im Sterben liegenden Bauern Jussup. Jedoch endet diese furchtbar komische und groteske Hochzeit mit einem Schock für Grusche. Als vom Ende des Krieges berichtet wird, erhebt sich der Bräutigam urplötzlich kerngesund von seinem Sterbebett. Die folgende Zeit wird für Grusche sehr hart, da der Bauer sichtlich enttäuscht ist über diesen „Stockfisch als Ehefrau“. Der überglücklich vom Krieg zurückgekehrte Soldat Simon fühlt sich von Grusche betrogen. Als wäre das nicht schon genug, kommt zeitgleich die Nachricht, dass die Witwe des Gouverneurs – nur auf das Erbe des Kindes bedacht – Michel zurückfordere. Grusche weigert sich und der Fall geht vor Gericht.

Der Streit um Michel gelangt daraufhin vor den Zufallsrichter Azdak, der in den Wirren des Kriegs auf den Richterstuhl gelangt ist. Er verkörpert nicht abstraktes Gesetz, sondern spricht Recht nach moralischen Kategorien. Mittels einer Probe will er die wahre Mutter bestimmen. Er lässt einen Kreidekreis ziehen, stellt Michel hinein und lässt die beiden Frauen jeweils eine seiner Hände greifen. Jede soll versuchen das Kind zu sich zu ziehen. Nur die wahre Mutter habe die Kraft, das Kind aus dem Kreis zu ziehen. Grusche lässt zweimal los. Bald erkennt Azdak, dass die Magd – im Gegensatz zur Gouverneurin – auf das Wohlergehen des Kindes bedacht ist, nicht auf seine zukünftigen Besitztümer. Er erklärt Grusche zu richtigen Mutter. Durch Zufall scheidet er auch ihre Ehe mit Jussup. Nach seinem Urteilsspruch verschwindet Azdak für immer.

Ein unerwartetes Happy End, das einem so gar nicht „brechttypisch“ vorkommt. Aus Sicht des Zuschauers und der Sympathieträger im Stück ein perfektes Ende. Das überrascht doch etwas, wenn man immer davon hört, dass Brecht gar nicht versucht Gefühle bei seinen Zuschauern zu erwecken, sondern an deren Verstand appelliert, um so ihre Einsicht für gesellschaftliche Widersprüche zu gewinnen.

Besonders beeindruckt waren wir von den Requisiten, die sich so vielfältig nutzen ließen. Auch die Masken, die alle Darsteller außer Grusche, dem Kind, dem Sänger/Azdak und dem Soldaten Simon trugen sorgten in unserem Kurs für Diskussionsstoff.

Keine Frage jedoch ist, ob nur uns das Stück so gut gefallen hat. Der schier endlose Beifall war dafür Beweis genug. Das ganze Publikum blieb lange im Saal, um das Ensemble zu feiern. Dabei bekam der vom Regisseur Peter Bause virtuos gespielte Sänger/Azdak den meisten Applaus, knapp vor der Grusche-Darstellerin Shantia Ullman mit dem Kind, die ebenfalls sehr überzeugend die naive und zärtliche Ziehmutter spielte, und dem Simon-Darsteller, der durch seine ausgezeichnet gespielte steife und doch liebevolle Art zu Grusche auffiel.