Am Montag, den 24. Februar 2014 stand für die 12. Klassen des Jack-Steinberger-Gymnasiums anstelle der üblichen Doppelstunde Geschichte ein Vortrag über den Nahostkonflikt auf dem Programm. Referent war Ilan Katz aus Israel, der sich zur Zeit auf einer Vortragsreise in Deutschland aufhält und insbesondere die Begegnung mit Schülern sucht, um ihnen Einblicke in den Alltag in Israel und die politische Lage in Nahost zu geben. Der 63-Jährige kommt aus Ma‘alot, einer kleinen Stadt im Norden Israels, nicht weit von der libanesischen Grenze entfernt, einer Grenzregion, die wegen ihrer exponierten Lage immer wieder von Anschlägen und während der Intifada von Raketenangriffen betroffen war. Katz war über 35 Jahre als Lehrer für Geschichte und Sozialkunde tätig. Seit seiner Pensionierung widmet er sich verstärkt seiner ehrenamtlichen Tätigkeit, den Jugendaustauschprogrammen zwischen Israel und Deutschland.ilan-Katz-Vortrag-Nahostkonflikt

Zu Beginn seines Vortrags gab der verheiratete Pädagoge den Schülern einen kurzen Einblick in sein private Welt. Er erzählt von seinen zwei Töchtern - eine der beiden absolviert gerade ein Studium an der Münchner Universität - und seinem Sohn, der bis vor kurzem seinen Militärdienst in der israelischen Armee absolvierte.

Bevor Katz auf den aktuellen Nahost-Konflikt einging, stellte er kurz die Begründung der zionistischen Bewegung durch Theodor Herzl zum Ende des 19. Jahrhunderts dar, der die Assimilationsbemühungen der europäischen Juden als gescheitert ansah. Deshalb sprach er sich dafür aus, in Palästina einen eigenen jüdischen Staat zu schaffen. Damit versuchte er den großen Traum der Juden, welcher seit über 2000 Jahren Diaspora nie aufgegeben wurde, zu verwirklichen. Im 20. Jahrhundert gewannen der Zionismus und die Einwanderung jüdischer Siedler nach Palästina aufgrund antisemitischer Pogrome in Osteuropa und vor allem als Folge der Shoa rasch an Bedeutung. Es sollte aber noch bis 1948 dauern, bis die eingewanderten Juden ihren eigenen Staat gründen konnten. Für den Siedlungsbau kauften die eingewanderten Juden von den Arabern das Land und entwickelten eine ertragreiche Landwirtschaft. Diese Entwicklung führte allmählich zu einem Konflikt mit der arabischen Bevölkerung. Die größten Streitpunkte zwischen beiden Seiten - so Katz- sind bis heute vor allem die Ressourcen Wasser und Boden.

Auch wenn Herr Katz die leidvollen Erfahrungen der kriegerischen Konflikte (vorwiegend) aus israelischer Sicht beschrieb, wie er sie eben persönlich empfunden hat, so fehlten ihm doch nie die Empathie und das Verständnis für das Leid der Palästinenser und insbesondere auch der arabischen Israelis im eigenen Land, die hier keine eigene Identität entwickeln können. Beispielsweise erwähnte Herr Katz die Flucht und Vertreibung eines Teils der arabischen Bevölkerung im Unabhängigkeitskrieg 1948. Besonders augenfällig wird der Konflikt am 15. Mai, an dem die Israelis mit ihrem Nationalfeiertag an die Unabhängigkeitserklärung ihres Staates erinnern. Für die arabischen Israelis ist dieser Tag alles andere als ein Feiertag, sie begehen diesen Tag als „Tag der Nakba“ (Katastrophe oder Unglück). Als in Ma‘alot die arabischen Israelis (die dort einen erheblichen Teil der Bevölkerung bilden) mit einer Nakba-Ausstellung an die Flucht und Vertreibung aus ihren Dörfern erinnern wollten, wurde dies kurzerhand vom Bürgermeister der Stadt verhindert.

Die jungen Zuhörer wurden schnell vom engagierten Vortrag in den Bann gezogen. Das  lag auch daran, dass der Referent zwischendurch, bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, in seinen Schilderungen auch eine Portion Witz und Selbstironie durchblitzen ließ. Er forderte sein Publikum auch immer wieder auf, seine Auffassungen kritisch zu betrachten und Fragen zu stellen. Was die Schüler zunächst zaghaft, dann aber zunehmend interessiert taten. Aus den Antworten wurde klar, dass es es keine einfachen Wahrheiten und Lösungswege für diesen Konflikt gibt. Dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen, dass dabei auch die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten ein Ende finden muss, darüber bestand Konsens. Voraussetzung für eine wirkliche Beilegung des Konflikts ist für Ilan Katz, dass sich Juden und Palästinenser auf einer sehr persönlichen Ebene begegnen, „ihre jeweilige Geschichte kennen und akzeptieren lernen.“

Nach 90 intensiven Minuten, in denen die Schüler interessiert und nachdenklich den Ausführungen des Referenten zuhörten, hinterließ Ilan Katz‘ Vortrag - trotz aller begründeten Skepsis auf die aktuellen Friedenschancen im Nahen Osten - bei mir den Eindruck, dass auch in Palästina der Weg zu einem friedlichen Nebeneinander in einer Zwei-Staaten-Lösung noch möglich ist. Vor allem, wenn engagierte Kämpfer für Toleranz und Versöhnung - wie Ilan Katz - auf beiden Seiten an Einfluss gewinnen.
Besonders eindrucksvoll für die Zuhörer war sicher, hier nicht nur Informationen aus zweiter Hand - aus irgendeiner Zeitung oder Nachrichtensendung - zu erhalten, sondern von einem Menschen, der sein ganzes Leben in Israel verbracht hat und tagtäglich beim Blick aus dem Fenster sehen kann, was sich an diesem Ort abspielt.