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Bis zu meinem Hospitationsaufenthalt kannte ich Lanzarote nur aus Büchern und Urlaubserzählungen. Daher flog ich Mitte April voller Erwartungen nach Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote.

Am Instituto de Educación Secundaria Tías, meiner Gastschule, wurde ich vom Kollegium sehr herzlich empfangen. Auch unter den Schülern sprach sich schnell herum, dass eine Lehrerin aus Deutschland zu Besuch sei, so dass ich schon nach kurzer Zeit von allen Seiten persönlich angesprochen wurde und viele interessante Gespräche führen konnte. Den Schulalltag lernte ich in seinen vielen Facetten kennen: Ich hospitierte im Deutschunterricht, aber u. a. auch in Lengua y Literatura, also dem Spanischunterricht, in Musik, Französisch oder Geschichte und nahm an Versammlungen der Schulleitung und des Lehrerkollegiums teil.

Hierbei stellte ich einige grundlegende Unterschiede zur Arbeit an einem Gymnasium in Deutschland fest:

Das spanische Schulsystem folgt dem Prinzip der Gesamtschule bis zum Ende der Schulpflicht mit 16 Jahren. Erst danach wählen die Schüler zwischen einer Berufsausbildung, einem berufsvorbereitenden Aufbaukurs oder dem Weg zum Abitur. Da Schüler unterschiedlichen Niveaus in einer Klasse unterrichtet werden, sind stets Differenzen im Leistungsstand erkennbar. Auch das Niveau in allen Fremdsprachen (D, E, F) ist im Vergleich zu Deutschland deutlich geringer. Allerdings haben die spanischen Schüler nur 2 Stunden Sprachunterricht pro Woche, und ihnen fehlt besonders die Sprechfertigkeit. Mündliche Schulaufgaben als Prüfungsform gibt es nicht.

Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern ist freundschaftlich und entspannt, doch immer respektvoll, auch wenn alle Lehrer geduzt und mit Vornamen angesprochen werden. Der Unterrichtsablauf erschien mir um einiges lebhafter und weniger strikt. Bei Kaugummikauen oder Schwätzen dagegen werden die Schüler sehr schnell vor die Türe geschickt oder ihnen wird die Pause gestrichen. Insgesamt war der Unterricht stark lehrerzentriert und deutlich weniger partizipativ für die Schüler gestaltet. Die Hausaufgabenkultur wurde von Schülern und auch Lehrern sehr entspannt gesehen.

Ein Schultag dauert von 8-14 Uhr mit sechs Schulstunden à 55 Minuten und einer 30minütigen Pause. Nachmittagsunterricht gibt es nicht. Auch keinen „ersten“ Gong fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn.

Auch außerhalb des Unterrichts konnte ich an interessanten Aktivitäten teilnehmen: Am Internationalen Tag des Buches wurden bei einer Lesung am Nachmittag Bücher von Nobelpreisträgern vorgestellt.  – Ein schulinterner Wettkampf forderte Schüler und Lehrer dazu auf, 14 Tage lang jeden Tag mindestens 10.000 Schritte zu machen. – Es finden Projekte statt zu gesellschaftspolitischen Themen wie geschlechtsspezifischer Gewalt und Machismus, aber auch zu umweltpolitischen Themen wie Recycling und Umweltschutz.

Auch eine politische Aktion seitens der Lehrer konnte ich miterleben: Das gesamte Kollegium am IES Tías sowie an vielen anderen Schulen trug einen Tag lang grüne T-Shirts, verbunden mit der Forderung, das momentane Stundendeputat von 20 auf 18 Stunden zu reduzieren.

An den Nachmittagen und am Wochenende konnte ich, meist in Begleitung von Kollegen, bei Exkursionen in die karge Vulkanlandschaft mit ihren Kratern und fruchtbaren Weinbaugebieten sowie zu wunderschönen Stränden viele kulturelle und landeskundliche Besonderheiten der Insel erleben. Auch wenn Lanzarote einige touristische Ecken hat, hatte ich nie das Gefühl, von Touristenmassen umgeben zu sein. Zum 100. Geburtstag von César Manrique, dem Maler und Architekt, der Lanzarote durch seinen vehementen Einsatz für Umweltschutz und seinen Kampf gegen Hotelhochhäuser und Ferienanlagen aus Beton geprägt hat, fanden Konzerte und Ausstellungen statt, die mir einen weiteren Blickwinkel auf die kanarische Kultur eröffneten.

So war mein Hospitationsaufenthalt auf Lanzarote eine wirklich spannende Zeit mit neuen Erfahrungen und wertvollen Vergleichen zwischen deutschem und spanischem Schulsystem und -alltag. Insbesondere die große Gastfreundschaft und die herzliche Aufnahme durch die spanischen Kollegen haben mir viele interessante Einblicke ermöglicht.