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Die Theatergruppe am JSG probt Bertolt Brechts 'Der kaukasische Kreidekreis' für die Aufführung Anfang März

Probe-Kreidekreis

Die berühmte Probe mit dem Kreidekreis: Wer ist die richtige Mutter? Bei König Salomon im Alten Testament und in einer alten chinesischen Sage findet ein findiger Richter mit ihr heraus, wer die leibliche Mutter des Kindes ist. Bei Brecht geht es um die richtige, die mütterliche Mutter und die ist Grusche (rechts: Heike Edelmann). Die leibliche Mutter (links: Antonia Kreile) zieht das Kind mit solcher Brutalität zu sich hin, dass Azdak, der auf skurrile Weise weise Richter (hinten oben: Sebastian Tatzel), ihr das Kind entzieht. Auf dem Probenfoto von der Schlussszene der Produktion der Theatergruppe am Jack-Steinberger-Gymnasium unter Leitung von Gerhild Ahnert, die am 4. März um 19 Uhr in der Aula der Schule Premiere haben wird.

 

"In den blutigsten Zeiten leben freundliche Menschen",  lautet Bertolt Brechts Kommentar zur Hilfe, die seine einfache Küchenmagd Grusche Vachnadze trotz eines Dauerkrieges, einer verschreckten Bevölkerung, brandgefährlicher zynischer Soldaten und für einfache Menschen völlig undurchschaubarer Machtstrukturen, die auf Dünkel, Besitz und rücksichtsloser Ausnutzung aller  Vorteile beruhen, erfährt. Freundlichkeit ist heutzutage zur Marketingstrategie verkommen, die Finsternis blutiger Zeiten wird durch das gleißende  Licht zur permanenten Präsentation von Waren und Menschen oder Menschen als Waren verdrängt. Bertolt Brechts Stück 'Der kaukasische Kreidekreis'  über die Verführung zur Nächstenliebe durch ganz natürliche Güte und Freundlichkeit scheint in diesen  Hochglanzzeiten absolut unzeitgemäß. Vielleicht macht gerade das in unseren Tagen seine Wichtigkeit aus.

Veraltet ist es sowieso nicht, denn es gibt sie noch, die unwirtlichen Zeitläufte, nicht enden wollenden Kriege und brandgefährlich unsicheren Herrschaftsverhältnisse im Kaukasus und in nicht so ganz weit vom Kaukasus entfernten Regionen und anderswo auf der Welt. Und es gibt sie auch heute noch, die ganz selbstverständliche, einfache Freundlichkeit gegenüber denen, die Hilfe benötigen, auch wenn das nur im Ausnahmezeitraum um Weihnachten für die das Bewusstsein großer Bevölkerungsschichten wesentlichen Medien noch berichtens- und bemerkenswert erscheinen mag.  Grusche Vachnadze ist "die Dumme, die sich das Kind aufbürden lässt". Und gerade deshalb ist sie, deren eigenes Lebensglück mit dem geliebten Soldaten Simon um ein Haar an dieser Entscheidung  zu zerbrechen droht, eine absolute, wenn auch und weil auch fast unrealistisch  erscheinende Heldin für unsere Tage.

Doch ist dieses Brechtsche Stück keineswegs eine dröge Aufarbeitung eines nicht zeitgemäßen Heldenbildes für Gutmenschen. Die Truppe garantiert trotz des lehrhaften  Gehalts ihrer diesjährigen Inszenierung  auch eine ganze Menge Theaterspaß und natürlich mitreißende Schauspieler.  Bei der Probenarbeit hat die Leiterin der Theatergruppe ein großes Augenmerk auf die Herausarbeitung der humorvollen Schichten des Stückes gelegt und dieses Mal, 10 Jahre nach ihrer ersten Inszenierung für die Oberstufentruppe des JSG, auch der Geschichte des urkomischen Arme-Leute-Richters Azdak, der Recht spricht mit Verschmitztheit, gesundem Menschenverstand und viel hintersinnigem Humor, viel Raum gegeben.  Der Theaterabend soll also nicht nur den engagierten Schauspielern, sondern auch dem Publikum Spaß machen, eine Forderung, die Brecht für alle Theaterprodukte in seinen 'Notizen für Schauspieler' aufstellt und die von allen Beteiligten am JSG sehr ernst genommen wird.

Und so lohnt es sich der Meinung der Theatergruppe der Oberstufe am Jack-Steinberger-Gymnasium und ihrer Leiterin Gerhild Ahnert nach, sich gerade in unserer Zeit mit  dem heldenhaften Kampf einer kleinen, nicht besonders intelligenten Magd  um das Leben eines fremden, von seiner Mutter in den Bürgerkriegswirren schlichtweg vergessenen  Kindes zu beschäftigen,  weil sie eben  nicht die Kaltblütigkeit besitzt, es einfach sich selbst zu überlassen, um ihre eigene Haut zu retten.  Weil sie damit ein absolutes Gegenbild zu den egomanischen Superstars unserer Zeit ist, zu den Zynismen, mit denen "Gutmenschen" verlacht und selbst ernannte Celebrities völlig mittelmäßigen Könnens zu Helden hochstilisiert werden. Grusche fällt ein hilfloses Kind zu und obwohl  sie fast mittellos ist, übernimmt sie ganz selbstverständlich Verantwortung für den "Gouverneursbankert", beschützt es, indem sie einen Soldaten niederschlägt, rettet es unter Lebensgefahr über den Jangatau-Gletscher und gibt ihm ein Dach über dem Kopf, indem sie einen Alibi-Ehemann in einer ungeheuer  makaber-komischen Szene heiratet, denn, so der Sänger/ Kommentator im Stück: "Schrecklich ist die Verführung zur Güte!" Das Theater soll Gegenwelten zeigen, manchmal - oder vielleicht als wesentliche Aufgabe -  auch utopische.

Die Theatergruppe (bestehend aus 27 Teilnehmern am Grundkurs Dramatisches Gestalten und Wahlkursschülern)  unter Leitung von Studiendirektorin Gerhild Ahnert hat eine Aufführung von Brechts Stück seit September 2009 erarbeitet und präsentiert das Ergebnis wochenlanger intensiver Probenarbeit am 4. und 5. März 2010 jeweils um 19 Uhr in der Aula des Jack-Steinberger-Gymnasiums. Das Bühnenbild wird zum Teil von Schülern unter Leitung von Kunsterzieherin Petra Götz, zum Teil von der freischaffenden Künstlerin Romana Kochanowski, die Schüler aus dem Praxisseminar Musik von Christel Gimmler betreut, und Mitgliedern der Theatergruppe gefertigt. Der Eintritt zu  den Aufführungen ist wie üblich frei, doch ist die Theatergruppe für ihre  Arbeit auf Spenden angewiesen, da zum Beispiel alle Leuchtkörper in der Aula erneuert  werden mussten, das Bühnenbild wegen der vielen Umbauten sehr flexibel gestaltet werden musste und eine neue Nebelmaschine angeschafft wurde.

Da der Haupteingang des Jack-Steinberger-Gymnasiums wegen der Bauarbeiten nicht benutzbar ist, kann die Aula nur über den Parkplatz der Realschule und  Pausenhof des JSG oder den Eingang hinter dem Drehkreuz am Ostring durch die Mensa erreicht werden. Plätze reservieren lassen kann man durch das Sekretariat der Schule.