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"Clyde und Bonnie" faszinierte Schüler der neunten und zehnten Klassen

Die Geschichte um Bonnie und Clyde hat alles, was auch heute – mehr als siebzig Jahre später – immer noch Quote bringt: Action, Spannung, Liebe und nicht zuletzt auch Sex. Christine Knispel und Carsten Stier interpretierten Holger Schobers Version des berühmten Stoffes mit Leidenschaft sowie vielen innovativen Elementen auf der Bühne im Pferdestall des Theaters in Maßbach. Dies dankten Schüler und Lehrer der neunten und zehnten Klassen des Jack-Steinberger-Gymnasiums an mehreren Tagen mit viel Applaus.

 

"Ich habe schon viele Frauen gefickt, aber Bonnie war die erste Frau, mit der ich geschlafen habe", sinnierte Cylde im Rückblick auf das rauschhaft-sexuelle Zusammentreffen des Liebes- und Chaospaares. Auf den ersten Blick zotige, auf den zweiten Blick aber philosophische und nachdenkliche Aussagen wie diese waren Elemente, die der Inszenierung ihre ganz eigene Note verliehen und die Schüler immer wieder in ihren Bann rissen. So hatten sie Theater wohl noch nicht kennengelernt.

Die Verwunderung des Publikums sicherten sich Christine Knispel und Carsten Stier gleich zu Beginn, als sie im zünftigen Dirndl und Lederhose ein typisch bayerisches Lied über Bonnie und Clyde sangen. Aufrecht erhalten wurde diese durch die Einbettung von aktuellen Medien und Geschehnissen, die neben der Geschichte um Bonnie und Clyde das zentrale Thema der Aufführung darstellten.

 

Hochpolitische Fragen

Genügt es in einer demokratisch-idyllischen Hängematte zu liegen und sich mit Sozialleistungen über Wasser zu halten und dies als "Leben" zu bezeichnen? Oder könnte man Clyde und Bonnie als "Helden" sehen, die in einer ähnlichen Zeit wie heute Robin-Hood-haft agierten, indem sie ihre Raubbeute mit den Armen teilten? Ist das gar eigentliches Leben?

"Clyde und Bonnie" zieht den Zuschauer dabei geschickt in einen Sog, in dem er sich selbst diese Fragen bejahen will. Doch warum muss dieses heldenhafte Leben dann mit einem so grausamen Tod enden? Was passiert eigentlich mit Clyde? Und warum wird man das Gefühl nicht los, dass die Protagonisten des Zwei-Mann-Stückes eher zum Wahnsinn als zur Erkenntnis tendieren? Regisseur Thomas Klischke schafft es diese Ambivalenz der Schoberschen Vorlage ungefiltert an die Zuschauer weiterzugeben.

 

Pop-Theater

Die Politik- und Medienkritik, die geschickt im Stoff verarbeitet wird, gelangt dabei nicht nur über die Schauspieler zu den Rezipienten. Immer wieder lässt Klischke auch mediale Elemente wie Songs, Bilder und Filmausschnitte diese Aufgabe übernehmen und vermittelt damit die Kritik mittels der Medien, die selbst kritisiert werden und schafft damit eine noch tiefere Ebene des Stücks.

Wenn Clyde zu Strobolicht durch die Gegend tanzt oder Bonnie und Clyde Reportagen über den Kapitalismus im Fernsehen sehen, entsteht sogar manchmal der Eindruck, nicht wirklich im Theater zu sein, sondern in einem Universalmedium. Das Theater in Maßbach wurde so geradezu zum Poptheater.

 

In der Gegenwart durch die Vergangenheit in die Zukunft

Geschickt wurden darüber hinaus aber auch klassische Elemente genutzt, die das Theater immer wieder spannend machen. So wurde von den Schülern viel Aufmerksamkeit gefordert, da die Szenen nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern in einem Rausch aus Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart dargeboten wurden. Einmal wurde die Handlung sogar "auf Null" zurück gesetzt und Bonnie läuft wie "Lola" in "Lola rennt" noch einmal neu los.

 

Fragen an die Profis

clyde-und-bonnie

 

Bei solch einer Dichte des Gesehenden war es umso besser, dass die Schauspieler nach der Aufführung zum Gespräch bereit waren und sehr direkt die Schülerfragen beantworteten. (siehe Bild) Schmunzeln mussten Christine Knispel und Carsten Stier unter anderem bei der Frage, welches Publikum ihnen am liebsten sei. Beide waren sie sich aber einig, dass die jungen Erwachsenen ihnen am liebsten wären, da sie noch keine "Hemmschwellen" hätten. Bei Jugendlichen merke man gleich, ob etwas spannend oder eben langweilig sei. Und sie seien es auch, die dynamischer mitgingen.

In diesen Antworten zeigte sich der Respekt der jungen Schauspieler gegenüber den Schülern und das wiederum scheint Mut zu machen für die Zukunft des Theaters. Denn nur wache und interessierte Zuschauer machen es möglich, dass gute Stücke wie "Clyde und Bonnie" in ebenso guten Inszenierungen aufgeführt werden können – solche Zuschauer, wie sie vom Jack-Steinberger-Gymnasium kamen.