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maiwahlen_1924

 

Im Krisenjahr 1923 brachten insbesondere der Ruhrkampf und die Hochinflation, aber auch kommunistische Unruhen in Thüringen und Sachsen, der Hitlerputsch sowie separatistische Bewegungen in der Pfalz und am Rhein die Republik an den Rand des Abgrunds.

Die demokratischen Parteien erlebten daraufhin bei den Wahlen vom Mai 1924 eine weitere Niederlage, wobei in Bad Kissingen diesmal vor allem die linksliberale DDP betroffen war, die von 25,3 % auf 9,9 % zurückging. Während im Reich sowohl links- wie rechtsradikale Parteien von der Krise profitierten, bleibt die KPD in Kissingen mit 1,8 % eine unbedeutende Splitterpartei (reichsweit 12,6). Stattdessen zeichnete sich ein klarer Trend zu den Rechtsparteien ab. Die DNVP, die in Bad Kissingen bei allen Wahlen einen überdurchschnittlich hohen Anteil erhielt, legte weiter zu auf 24,2 %. Bemerkenswerter ist jedoch der sensationelle Wahlerfolg des Völkischen Blocks, einer radikalen, völkischen, antisemitischen Gruppierung, der auch die NSDAP  angeschlossen war. Sie erzielte sozusagen aus dem Stand mit 859 Stimmen einen Wähleranteil von 20,8%, ein Ergebnis, das deutlich über dem reichsweiten Ergebnis der NSDAP (6,5 %) und noch signifikanter über dem Abschneiden des Völkischen Blocks im Landkreis Bad Kissingen (3,8 %) lag. Beim Vergleich mit dem unterfränkischen Gesamtergebnis von 10,1 % ist die Differenz dagegen nicht ganz so krass. Der Wahlerfolg des Völkischen Blocks im fränkischen Raum ist wohl auch auf die Agitation Julius Streichers und seiner Deutsch-Sozialistischen Partei zurückzuführen, einer völkischen Gruppierung, die ihre Hochburgen im mittel- und oberfränkischen Raum hatte. Reichsweit erreichte die NSDAP auch deshalb weniger Stimmen, weil Organisationsbasis und Ausstrahlung der Hitlerbewegung vor 1925 noch weitgehend auf Bayern beschränkt blieben.

Um die lokalen Abweichungen zu erklären, ist ein genauerer Blick auf die besonderen Verhältnisse Bad Kissingens als Kurstadt, die konfessionelle und gesellschaftliche Struktur der Stadtbevölkerung, die politischen Strömungen und insbesondere die wirtschaftlich-soziale Situation in der Stadt notwendig. Eine fundierte Untersuchung dieser Besonderheiten findet sich in Thomas Künzls Magisterarbeit Wahlen und Abstimmungen in der kreisunmittelbaren Stadt Bad Kissingen zur Zeit der Weimarer Republik“. Künzl zeigt anhand der Übernachtungs- und Kurgastzahlen auf, dass es in der Kissinger Kurbrache zu einem „dramatischen Zusammenbruch“ gekommen war und dass Bad Kissingen die Krise im Gefolge der Inflation weitaus schlimmer und nachhaltiger traf als das übrige Deutschland. Besonders das von den Auswirkungen der Inflation betroffene städtische Kleinbürgertum, aber auch entlassene bzw. von Entlassung bedrohte Beschäftigte im Kurbetrieb und ein Teil des Dienstpersonals waren anfällig für die nationalsozialistische Propaganda.
Die völkische Szene in der Stadt war bereits in der Anfangsphase der Weimarer Republik sehr aktiv und machte durch Versammlungen, Gründung völkischer Gruppierungen und antisemitische Plakat- und Schmieraktionen auf sich aufmerksam. Sicherlich profitierte der Völkische Block auch von Gerüchten über eine bevorstehende französische Besetzung des Maintals im Jahre 1922 sowie von Bolschewisierungsängsten im konservativen Bürgertum angesichts kommunistischer Regierungsbeteiligung und der Aufstellung „proletarischer Hundertschaften“ im benachbarten Thüringen im Oktober  1923.  
Auch die konfessionelle Zugehörigkeit hatte einen wesentlichen Einfluss auf das Wahlverhalten. Im eindeutig katholischen Landkreis schlug sich die traditionelle Bindung an die BVP in einem Wahlerfolg von 73,6 % nieder, die konfessionelle Gebundenheit der Landbevölkerung sollte bis über das Jahr 1933 immunisierend gegen die Weltanschauung der Nationalsozialisten wirken. Die Kurstadt Bad Kissingen wies dagegen eine weniger homogene Struktur auf: Vor allem durch den Zuzug von Kurgästen aus Norddeutschland, die sich hier ihren Alterswohnsitz suchten, war der protestantische Anteil bis 1925 rasch auf 22,3 % angewachsen. Auch die hier anwesenden Kurgäste stammten zu einem erheblichen Teil aus Norddeutschland. Die protestantischen Wählerschichten waren, wie Wahluntersuchungen zur Weimarer Zeit belegen, anfälliger für nationalistische Parteien. Hier ist sicher auch eine Ursache für die hiesigen Erfolge der DNVP zu sehen. Diese antidemokratische Sammelpartei der Rechten, die die neue Republik prinzipiell ablehnte und ihren Bezugspunkt noch immer in der Hohenzollern-Monarchie sah, hatte ihren regionalen Schwerpunkt in Norddeutschland.

 

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