Vanderbeke2

Vanderbekes großes Plus ist dieses Timbre ihrer Stimme. Diese Klangfarbe, die man sofort erkennt, heraushört, die machtvoll ist. Bis vor acht Wochen hat die Wahlfranzösin geraucht. Entsprechend irritiert reagiert sie am Ende der Lesung, als ein exklusives Feuerzeug -Werbegeschenk der Schule auf sie wartet. Rauchig-warm, rauchig-kalt kann ihre Stimme klingen, stets aber klingt sie präzise. Mühelos transportiert sie Resignation und Indigniertheit, Trauer und Trotz. Mit diesem Schatz ihrer Stimme spielt und arbeitet die Autorin. Kein Wunder, dass die Hörverlage die Romane stets von der Künstlerin selbst einsprechen lassen. Eine bessere Interpretin ihrer raffinierten Texte gibt es nicht.

Damit, mit dieser Klangkunst verwandelt sich ihr Roman DAS LÄSST SICH ÄNDERN, aus dem sie liest. Er bekommt eine Distanzfläche dazu, wo sich die Ich-Erzählerin aus gutem Hause (selbst)ironisch spiegeln und brechen kann. Wo die sanfte und rebellische Poesie von Ton-Steine-Scherben-Zitaten wirken kann und wo die herben proletarischen Kommentare des Adam Czupek, des Romanhelden, zünden können.

Birgit Vanderbeke modelliert ihren Text vor den Zuhörern, setzt prägnante Sprechpausen und konterkariert manche Textstellen so. Subtil arbeitet sie mit Tonhöhen, mit Zwischenblicken ins Publikum. Sie kennt und beherrscht ihren Text völlig und lässt die beeindruckten Zuhörer daran teilhaben.

Adam Czupek ist eine Art Märchenheld, ein Traumpartner, als Vater ein Glücksfall, die rechte Mischung aus sensibel und stark. Ganz um ihn rankt sich die Lesespur, die Vanderbeke an diesem Abend auslegt. Birgit Vanderbeke lässt diesen gelernten Handwerker, diese frei schwebende Existenz zum Kristallisationspunkt eines oppositionellen Lebens werden. Er schart um sich, wie ein moderner Menschenfischer, Randexistenzen, Gestrauchelte, Desillusionierte und macht sie zu Jüngern seines „Das lässt sich ändern.“

Wie von Zauberhand verwandelt der Prinz aus den Randschichten der Gesellschaft dieses Draußen in ein natürlich-kreatürliches Paradies. So wie die immer wieder im Werk zitierten Mannen um Rio Reiser in Fresenhagen ihr anarchistisches Paradies auf Erden errichten wollten, so probiert es Czupek mit den Seinen irgendwo auf dem Land. Immer die feindliche Monopoly-Gesellschaft der Kohl- und Nachwende-Zeit im Visier. Immer mit einer Idee, wie es ein kleines bisschen humaner weitergehen könnte. Und – zuletzt – ist dieser tolle Text, der beim ersten Lesen einfach wirkt, und dann beim Wiederlesen immer raffinierter daherkommt, voller Verweise und Anspielungen, ein grandioser Roman über das lieben und leben lernen. Birgit Vanderbeke, die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin, las auf Einladung des KKKK und des JSG Bad Kissingen.