Jack Steinberger ist tot. Während wir uns an „seiner“ Schule Gedanken über die Feier seines 100. Geburtstages machten, ist der Namensgeber im Alter von 99 Jahren am 12. Dezember 2020 friedlich im Kreise seiner Familie in Genf gestorben. Seinen Angehörigen gilt unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl.
Es war anlässlich seines 80. Geburtstages, dass die Kissinger Schule, die Hans Jakob Steinberger als am 25. Mai 1921 in einer jüdischen Kantorenfamilie in Bad Kissingen Geborener für dreieinhalb Jahre selbst besucht hatte, nach ihm benannt wurde. Eine Namensgebung, die einer Sondergenehmigung bedurfte, weil der Namensgeber noch lebte. Welch gute Entscheidung, denn auf diese Weise konnte Jack Steinberger persönlich zeigen, warum seine Person es verdient, eine Schule nach ihr zu benennen.
In Vorträgen, wie z.B. über seine Arbeit am Forschungszentrum für physikalische Grundlagenforschung CERN, über Supernovae, kosmische Hintergrundstrahlung oder die Zukunft der Energieversorgung, sowie in Gesprächen mit ihm als Zeitzeuge oder in Unterhaltungen bei den regelmäßigen Besuchen„seiner“ Schule zeigte Jack Steinberger sich nämlich als großes Vorbild.
Er zeigte sich als Vorbild eines Wissenschaftlers, der Position bezieht, der für die Werte der Demokratie steht, der sich und seine Forschung kritisch reflektiert, der trotz vieler Auszeichnungen, insbesondere dem Nobelpreis für Physik im Oktober 1988 für seine bahnbrechenden Erkenntnisse in der Neutrinoforschung, bescheiden bleibt, der sich für die atomare Abrüstung einsetzt und der die Energiewende durch den Ausbau von Solarenergie vorantreiben will – bis ins hohe Alter.
Als Zeitzeuge erzählte er von der Geschichte und von seinem Umgang mit ihr, von seinem Leben, das geprägt war von der Emigration in die Vereinigten Staaten, die ihm seine Eltern 1934 im Alter von 13 Jahren vorausschauend ermöglicht hatten, und – wie er selbst sagte – von glücklichen Zufällen, die ihn, der in den USA und in Genf forschte, zu einem der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts haben werden lassen. Er zeugt von der Versöhnung, die möglich ist. Kehrte er 1986 für einen Besuch in seine Heimat zurück, um seiner Familie zu zeigen, wo er großgeworden war, folgte er der Einladung der Stadt Bad Kissingen 1989 zunächst mit gemischten Gefühlen. Von da an kam er aber regelmäßig in seine fränkische Heimat, solange es sein Gesundheitszustand bis vor wenigen Jahren zuließ. Und als er 2006 das Ehrenbürgerrecht Bad Kissingens erhielt, freute ihn, den ehemals zur Flucht Gezwungenen, das sehr. Über die Einladungen und Anlässe hinaus mögen sein Interesse an Kunst, Kultur und Geschichte mit ein Grund gewesen sein, immer wieder zu kommen, besonders aber waren es wohl die Pflege der guten Kontakte und alter wie neuer Freundschaften – auch am JSG.
Wir an „seiner“ Schule sind dankbar für die Begegnungen mit Jack Steinberger, in denen wir ihn nicht nur als herausragenden Physiker und eloquenten Zeugen des Dritten Reiches kennen lernen durften, sondern auch als freundlichen, humorvollen, unkomplizierten Menschen, der sich stets offen und neugierig zeigte.
So ist es konsequent, dass die „Freunde“ der Schule von Jack Steinberger im Zuge der Namensverleihung des Gymnasiums auch den Preis, der Abiturient*innen für hervorragende schulische und soziale Leistungen verliehen wird, nach dieser herausragenden Persönlichkeit benannt haben.
Das Jack-Steinberger-Gymnasium wird das Gedenken an seinen Namensgeber aber nicht nur in Namen weitertragen, sondern auch in der lebendigen Erinnerung an sein Vorbild.