2023 Human Library„Der Unterricht wird in der nächsten Woche nicht stattfinden“, verkündete unsere Ethiklehrerin Frau Fronczek letzte Woche. Doch als nach dem Grund für den Ausfall von drei Unterrichtsstunden gefragt wurde, erklärte sie lediglich, dass es sich um eine Überraschung handele. So waren nicht nur wir, der Ethikkurs der Q11, sondern auch die Schüler:innen der katholischen und evangelischen Kurse gespannt, was uns erwarten würde.

Eine Woche später, am 24.10.2023, war es soweit. Angekommen im Penthouse unserer Schule wurden wir von neuen Gesichtern begrüßt. Unter ihnen, Lisa Graskamp und Dr. Joachim Schneider vom Naturerlebniszentrum Rhön. Schnell wurde klar, dass es sich nicht um eine weitere Berufsinformationsveranstaltung handelte, sondern um eine Begegnung mit „lebendigen Büchern“. So bezeichnete das Team des NEZ Rhön fünf Freiwillige, die alle in einer Form von Vorurteilen betroffen und daher oft sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Bezeichnung „Bücher“ wurde gewählt, da sie eine neutrale und diskriminierungsfreie Anrede ermöglicht.
Die „lebendigen Bücher“, die uns präsentiert wurden, umfassten Angehörige des Militärs, Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft, Menschen mit Behinderungen und eine Fachkraft aus dem Bestattungswesen. Nachdem sich die „Bücher“ mit einfallsreichen, neugierweckenden Buchtiteln vorgestellt hatten, waren wir an der Reihe.
Von Tisch zu Tisch rotierten wir in Kleingruppen und an jeder Ecke wartete eine einzigartige Geschichte darauf, gehört zu werden. Die Freiwilligen teilten ihre Erfahrungen bezüglich Mobbing, Einsamkeit, Angst, sprachen über Höhen und Tiefen sowie über die Auswirkungen von Schicksalsschlägen auf ihr Leben und zeigten uns sogar persönliche Fotos. Vor allem jedoch verdeutlichten sie, dass es keinerlei Grund gibt, zwischen uns und Menschen, die herausragende Lebenswege gegangen sind, einen Unterschied zu machen, da wir alle unabhängig von unseren Lebenswegen gleichwertig sind.
Ein Soldat, der eine Bombenexplosion erlebt hat, ein Mann, der einen tragischen Autounfall überlebt hat, und eine Frau, die einen emotional anspruchsvollen Beruf ausübt – eine außergewöhnlich schöne Erfahrung, mit diesen Menschen zusammenzukommen und über Dinge zu sprechen, die sie erlebt haben. Ihre Meinungsbeiträge zum Überwinden von Herausforderungen haben so manch faszinierten Gesichtsausdruck bei uns Schüler:innen
hinterlassen und mit Sicherheit auch zum Nachdenken angeregt.
Dass diese Personen als „Bücher“ bezeichnet werden sollten, bleibt jedenfalls unumstritten, denn lernen konnten wir aus „unseren Büchern“ eine Menge. Sie haben uns unter anderem über soziale Ungerechtigkeiten wie Mobbing, Ausgrenzung, Homophobie und Ableismus aufgeklärt, indem sie uns private Einblicke in ihr Leben gewährten.
Mit ausreichenden Pausen zwischendurch vergingen die drei außergewöhnlichen Unterrichtsstunden wie im Flug und am Ende der Veranstaltung blieb noch etwas Zeit, um die eigenen Eindrücke zu den Gesprächen miteinander zu teilen.
Wir Menschen unterscheiden uns in zahlreichen Bereichen. Lasst uns diese Unterschiede nicht negativ bewerten, sondern sie als Quelle der Bereicherung und Inspiration anerkennen. Es ist wichtig, einander mit Respekt und Offenheit zu begegnen. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, die uns durch diese Überraschung ermöglicht haben, den „lebendigen Büchern“ unvoreingenommen zu begegnen und erst vor Ort zu entscheiden, welche Fragen wir ihnen gerne stellen würden. Und einen großen Dank an unsere Gäste, die bereit waren, all unsere Fragen zu beantworten!