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Ein Abend mit Dr. Eva Umlauf

Das Jack-Steinberger-Gymnasium lud am vergangenen Mittwoch in Kooperation mit dem Schönborn-Gymnasium Münnerstadt zu einer Veranstaltung der besonderen Art in die Aula des JSG: die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf gab Details aus ihrem Leben preis und hatte Botschaften nicht nur für die zahlreich erschienenen Schüler im Gepäck. Der Abend, zu dem der stellvertretende Schulleiter Jens Beck in Vertretung des erkrankten Hausherrn, Markus Arneth, begrüßte, fand auch bei der Öffentlichkeit großen Zuspruch. Die Plätze waren nahezu restlos besetzt.

 

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Eine sehr bewegende Geschichte hatte die elegante Dame, die auf der Couch im geschmackvollen Ambiente der Bühne Platz nahm, zu erzählen: teils in Form eines Gesprächs und teils, indem sie aus ihrem Buch vorlas. Das Gespräch moderierte Peter Rottmann, der Schulleiter des Münnerstädter Gymnasiums.

Das Publikum, welches aus SchülerInnen und Lehrkräften des Gymnasiums sowie aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern über die Grenzen Bad Kissingens hinaus bestand, hörte gebannt zu und hatte am Ende noch Gelegenheit, einige Fragen an die Autorin zu stellen.

„Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ lautet der Titel ihres Buches, welches 2016 erschien. Umlauf hatte 2014 einen Herzinfarkt erlitten, dessen Rekonvaleszenz sie dazu brachte, ihren Plan zu verwirklichen und ein Buch über ihr Leben in und nach Auschwitz zu schreiben. Sie recherchierte dazu gemeinsam mit Historikerin und Co-Autorin Stefanie Oswald aufwändig an zahlreichen Orten der Welt.

Eva Umlaufs Mutter, die 21-jährig zur Witwe mit zwei Kleinkindern wurde, versuchte stets, den „Blick nach vorne“ zu richten, nicht im Erlebten zu erstarren. Sie trieb sich selbst wie auch ihre beiden Töchter im Allgemeinen zu Disziplin und im Besonderen zu Bildung an. Die Mutter wurde Lehrerin, die beiden Töchter Ärztinnen.

Die Autorin berichtete von den lebensgefährlichen Umständen ihrer Geburt, bei der „in der unbeheizten Hütte das Wasser in der Schüssel zu gefrieren drohte“ und die Hebamme alle Mühe hatte, Säugling und Mutter notdürftig zu versorgen.

Dass sie und ihre Eltern später den Gaskammern in Auschwitz entkamen, war dem dreitägigen Stillstand auf den Gleisen zu verdanken, nachdem die Lok des Todestransports ausgefallen war. Genau diese drei Tage zuvor waren die Gaskammern gesprengt worden aus Angst vor der Übernahme der Roten Armee. 1689 Häftlinge des pünktlichen Transports aus Theresienstadt dagegen gingen „direkt ins Gas“. Es waren die Letzten.

Die Registrierung und damit die blaue Nummer auf dem Unterarm blieb der kleinen Familie aber nicht erspart. Eva, von der Mutter liebevoll auf dem Arm gehalten, verlor kurzzeitig das Bewusstsein durch Schmerz und Schreck. Sie habe später viel über die heutigen Möglichkeiten nachgedacht, die Nummer entfernen zu lassen. Dagegen entschieden habe sie sich nicht zuletzt, weil sie dieses Mal mit ihrer Mutter und allen anderen Leidensgenossen verbinde.

Im Alter von zwei Jahren kam das Kleinkind mit zahlreichen lebensbedrohlichen Erkrankungen auf die Krankenstation des Doktor Mengele. Die Mutter konnte sie nur heimlich durch das Fenster der Baracke betrachten und war nicht in der Lage, ihr Wärme oder Schutz zu geben. Schlussendlich hatte sie es wiederum dem Näherrücken der Roten Armee und der Flucht der feigen Täter zu verdanken, dass sie von den perversen Experimenten Mengeles verschont blieb.

„Nennen Sie es Schicksal, Gott oder Fügung, ich weiß nicht, was es war. Ich weiß nur, dass es uns das Leben gerettet hat.“ Ohne großes Pathos erzählt die Kinderärztin und Psychotherapeutin von zahlreichen Stationen ihres Lebens, welche Wendungen es nahm und wie sie es schaffte, mit dem Erlebten weiterzuleben.

Ihre Schwester Nora kam in Auschwitz zur Welt, man kann es noch heute in ihrem Pass unter der Rubrik „Geburtsort“ nachlesen. Der Vater überlebte den Todesmarsch in das KZ Melk nicht. Die Mutter wurde zur blutjungen Witwe, noch bevor die Ehe überhaupt jemals einen Alltag erleben durfte, die Mädchen wurden zu Waisen.

„Transgenerationales Trauma“ und Resilienz wurden im weiteren Verlauf des Abends thematisiert. Die Psychotherapeutin sprach in Ansätzen darüber, wie dies in Verbindung zur Verarbeitung und zu Kompensationsmöglichkeiten steht. Nicht nur die Schüler und Schülerinnen der Psychologiekurse des Jack-Steinberger-Gymnasiums interessierte ein solcher Ansatz sehr. Weitere Fragen zu diesem Thema aus dem Publikum wurden von Frau Dr. Umlauf verständlich und unprätentiös beantwortet.

Auf die Frage, ob sie Angst im Hinblick auf die aktuellen geopolitischen Ereignisse sowie die politische Entwicklung in Deutschland habe, antwortete Eva Umlauf mit einem klaren „Ja“. Sie ließ diese Antwort einige Sekunden im Raum stehen, um dann auszuführen, dass sie zwar nicht morgens mit Panik aufwache, aber sehr klar die Gefahren für Deutschland in Form der um sich greifenden politischen Frustration in der Gesellschaft und die dadurch erstarkenden rechtsextremen Kräfte und Parteien sehe. Auch die jüngsten Ereignisse in Israel entsetzten sie und machten ihr Angst, so die Autorin.

Ein Resümee, zugewandt und sehr bedacht ans Publikum herangetragen, wirkte wie ein nachhallender Appell, mit dem sich das Publikum nach über 90 intensiven und eindrücklichen Minuten auf den Weg ins sichere Zuhause machte.